Auf dem Foto sieht man das Buch "Es ist 5 vor 1933". Es liegt auf zwei weiteren Notizbüchern, die allesamt im grünen Gras liegen.

AfD, Demokratie und Wehrhaftigkeit — Rezension: „Es ist 5 vor 1933“ (2)

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Heute sind Wahlen in Sachsen und in Thüringen. Das heißt, dass heute der perfekte Tag ist, für den zweiten Teil einer Rezension über ein Buch gegen die Alternative für Deutschland (AfD). Die Frage der Stunde ist: Haben wir einen kritischen Punkt bereits überschritten?

Ist es schon zu spät?


Das fragt auch Gründer und künstlerischer Leiter des „Zentrums für Politische Schönheit“ und Autor des Buchs Philipp Ruch, allerdings in anderen Worten. Was zählt ist der Sinngehalt.

In seinem Buch reißt Philipp Ruch die Skandale und Malheure der AfD skizzenhaft an. (Na klar, jede Ausführlichkeit würde Bände umfassen.) Der Mensch ist vergesslich und das weiß auch der Autor. Er erinnert uns daran, wie gewaltbereit die AfD ist, dass in Orten, wo die AfD eine Mehrheit bildet, sich die rechtsextreme Gewalt verdoppelt hat. Philipp Ruch erinnert auch daran, dass Höcke bereits im letzten Jahr 2023 (!) den „Vorbürgerkrieg“ ausgerufen hat.

Ich könnte jetzt ausführen, dass die AfD überhaupt nicht dazu geeignet ist erfolgreiche Weltpolitik zu machen. Ich könnte dem hinzufügen, dass das auch gar nicht im Interesse der AfD ist. Ich könnte auch noch einmal auf das Buch zurück kommen, um zu schreiben, dass Philipp Ruch geschrieben hat, dass der Nationalsozialistische Untergrund (NSU), der mehrere türkische Mitmenschen, einen griechischen Mitmenschen und eine Polizistin ermordet hat, die AfD wählen würde. Und ich könnte abschließend erwähnen, dass die Politik und die Kurzsichtigkeit der AfD zum Weltkrieg führen wird – und, dass das vermutlich von der AfD gewollt ist.

Radikale wollen Krieg und Terror


Stattdessen betone ich, dass die Politik und die Kurzsichtigkeit der AfD Wind im Rücken des radikalen und des legalistischen „Islamismus“ ist. (Legalistischer „Islamismus“ greift auf die legalen Mittel der Politik zurück, also Staatsgründung etc..)

Radikale aller Couleur sind gleich: Sie wollen Krieg und Terror. Aber wir haben Glück, denn die meisten Menschen möchten keinen Krieg und Terror. Das sage nicht ich, das sagt Philipp Ruch. Da die Massen eher friedfertig sind, gibt sich die AfD besonders viel Mühe um diese große Mehrheit aufzuhetzen gegen „die“ Flüchtlinge, „die“ linksgrün-und-so-weiter-Versifften und oft genug auch gegen „die“ Lügenpresse.

Nicht nur christlichen, atheistischen, jüdischen, buddhistischen und hinduistischen Mitmenschen wird angst und bange, wenn sie an den radikalen „Islamismus“ denken, sondern auch muslimischen Mitmenschen wird angst und bange, wenn sie an den radikalen „Islamismus“ denken.

Diese Angst nutzt die AfD aus. Allerdings bietet die AfD keine Lösung an. Also wirklich mit Abschiebungen ist der radikale „Islamismus“ nicht aus der Welt. Schlimmer noch: Abschiebungen könnten dazu führen, dass der radikale „Islamismus“ als legalistischer „Islamismus“ mit stärkerer Gewalt zurückkommt.

Und falls Sie geneigte Leser:innen denken, dass ich übertreibe, dann will ich im Sinne Philipp Ruchs antworten. Die Nationalsozialisten von 1933 haben noch die kühnsten Übertreibungen ihrer Zeitgenossen bei Weitem übertroffen. Es gibt ein Zitat von der menschlichen Dummheit. Ich finde, es sollte lieber heißen, dass die menschliche Gewalt grenzenlos ist. Deswegen gibt es ja Gesetze.

Was tun gegen Radikalismus?


Aber was sollen wir denn nun endlich tun gegen Radikalismus? Was muss getan werden gegen den „islamistischen“ Terror? Was muss getan werden gegen die rechtsextreme Gewalt? Wie können wir unsere freiheitlich-demokratischen Werte am besten schützen?

Wir müssen etwas tun, was wir bisher vernachlässigt haben. Vielleicht müssen wir über unseren eigenen Schatten springen. Vielleicht Berührungsängste überwinden. Aber auf jeden Fall ist es höchst demokratisch und friedfertig: Wir müssen zusammen halten gegen den „islamistischen“ Terrorismus und gegen die rechtsextreme Gewalt. Und nicht nur das. Wir müssen uns einander annähern. Wehrhaftigkeit bedeutet in diesem Sinne Zusammenhalt der Friedfertigen.

Abschiebungen lösen das Problem nicht. Stattdessen braucht es echte Lösungen von der Politik und Politiker:innen sollten aufhören zu lamentieren, dass gewalttätige Anschläge von radikalen „Islamisten“ und von Rechtsradikalen nicht verhinderbar sind. Denn damit ziehen Politiker:innen sich aus der Affäre. Stattdessen braucht es Wege und Mittel, um die Demokratisierung zu stärken und um Menschen abzuholen, damit sie nicht Radikalen in die Fänge fallen.

Einsamkeit ist in diesem Rahmen ein Stichwort. Noch nie fühlten sich so viele Jugendliche einsam wie zu unserer Zeit. Unwissen über bestimmte Themen gehört auch dazu. Die Bundesregierung hat so viele Möglichkeiten gegen den radikalen „Islamismus“ und gegen rechtsextreme Gewalt vorzugehen. Warum passiert nichts? Warum verlassen Politiker:innen nicht endlich ihre Komfort-Zone?

„Es ist 5 vor 1933“ ist eine Pflichtlektüre für alle, die die Demokratie lieben. Ich hätte mir gewünscht, dass der Autor auch skizzenhaft anreißt, welche tatsächlichen Lösungswege und Mittel es geben kann für die Probleme unserer Gesellschaft, die die AfD für ihre Hetze missbraucht. Aber vielleicht hätte das den Rahmen des Buchs gesprengt.

Der Themenumriss ist gut gelungen, das ist offensichtlich. Aber ich bin mir nicht sicher, ob bei so einem komplexen Thema klare Umgrenzungen des Themas auch wirklich vorteilhaft sind oder ob der Autor nicht dem Affengeist – wie es die Zen Mönch:innen nennen – hätte freien Lauf lassen sollen.

Merve Akal

Kunsthistorikerin, Feministin, Arbeiterkind, Katzenfrau und Hundefan. Ich bin interessiert, hinterfrage kritisch und möchte andere für meine Themen begeistern: Feminismus, Ästhetik und Kultur. Es juckt mich in den Fingern: ich schreibe gerne und ich bin wirklich ausgesprochen glücklich, wenn meine Texte gelesen werden. Sind es Artikel, sind es Blogbeiträge? Es sind ganz schlicht einfach nur Texte.

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